Piry Krakow im Tanzdialog Wörthsee
Impressionen vom Wochenend-Seminar „Dunkle Glut der Romatänze“ am 23. und 24. Oktober 2021 im Tanzdialog Wörthsee
Barbara Schulte-Büttner
Piry Krakow war im Herbst wieder hier bei uns im Tanzdialog Wörthsee. Mehr als drei Jahre haben wir darauf gewartet. Groß war die Freude, nach all der Zeit wieder mit ihr zu tanzen in der Gemeinschaft.
„Das Warten hat sich gelohnt“, so eine begeisterte Teilnehmerin am Sonntagmittag, als wir uns zum Abschluss noch einmal versammelten um unsere Tanzmitte.
Die Tanzmitte – traditionell der Platz für die Musiker
Die Tanzmitte schmückte den Platz, der bei den Roma traditionell den Musikern gehört. Drumherum haben wir ein ganzes Wochenende lang ausgekostet, was uns die Musik erzählte - in reichen Klangfarben von dunkler Glut bis zu hellen Flammen. Wir haben Geschichten von unbändiger Lebensfreude in die Füße genommen, Geschichten von Liebe und Sehnsucht, Geschichten von Trauer und Schmerz.
Tanzen bei Piry ...
... das hieß auch dieses Mal wieder aus der eigenen Mitte in Bewegung kommen. Es hieß zur Musik unterwegs sein, zum Beispiel im Blickkontakt mit einem Gegenüber, dem es „die Treue zu halten“ galt, egal wohin die Füße trugen. Es hieß Begegnung auskosten, auch ohne bei den Händen gefasst zu sein, in Verbindung bleiben selbst über Distanzen hinweg - loslassen und wiederkehren, die Treue halten oder einen „Treue-Versuch“ unternehmen und dabei immer wieder diese Freude am Geschenk der Begegnung verspüren.
Freude am Geschenk der Begegnung
Eine ganze Weile sind wir so unterwegs am Anfang, dann verklingt die Musik, die Füße kommen zum Stehen. Auf Augenhöhe zu sehen sind gelöste Gesichter, rosige Wangen, bewegtes Minenspiel, ein offenes Lächeln hier, ein Augenzwinkern da. Der ganze Raum ist erfüllt von guter Laune - ein Nachbeben dieser Freude, die sich hier breitgemacht hat.
Breit genug offenbar, um sich ins Körpergedächtnis einzuschreiben und zu bleiben - auch als ein ganz ruhiges Tanzlied erklingt und eine andere Stimmung in den Raum bringt.
Schwermut? Melancholie? Traurigkeit? Oder ist es Überdruss?
Die Frage steht im Raum, denn das Lied ist gesungen in einer Sprache, die uns fremd ist. Nein, Piry erzählt uns nicht sofort, was da besungen wird. Eine Einladung, sich tanzend und lauschend vertraut zu machen mit der Geschichte, die dieses Tanzlied erzählt. Es muss ja nicht für jede von uns die gleiche Geschichte sein.
Das Eine im Anderen
Und während wir in die Füße nehmen, was da anklingt – Schwermut, in dem vielleicht Sehnsucht mitschwingt, Trauer, vielleicht Liebesleid oder Heimweh – regt sich im Körper noch immer das Nachbeben der Freude, die der vorherige Tanz gebracht hat.
Das Eine im Anderen - ganz so wie im wirklichen Leben. Nur dass wir dessen im Alltag oft nicht gewahr werden. Hier und jetzt aber lenken wir unsere Aufmerksamkeit darauf.
Tanzen als Weg in vielgestaltige Lebenswelten
Jenseits eigener Befindlichkeiten lernen wir Tänze der Roma bei Piry kennen als Ausdruck vielfältiger Kulturen, von denen wir nur wenig wissen. Beschämend lang ist die Tradition von Diskriminierung und Verfolgung von Roma und Sinti, Zigeunern, Gypsies, Manouches.
„Wir leben im Verborgenen“
ist einer der Buchtitel, die Piry uns ans Herz legt, Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin, aus der Feder von Ceija Stojka. Weitere Literatur-Empfehlungen: Andreas Altmann: Gebrauchsanweisung für die Welt; Klaus-Michael Bogdal: Europa erfindet die Zigeuner. Ursula Krechel: Geisterbahn; Anja Tuckermann, Hugo Höllenreiner: Denk nicht, wir blieben hier.
Tanzen und Geschichte(n)
Piry ist vertraut mit den Tänzen der Roma, sie bringt ihren ganzen persönlichen Erfahrungshintergrund mit in den Tanz. Ihr geht es nicht primär darum, Tanzschritte zu zeigen, sie nimmt uns mit auf eine Reise durch Roma-Kulturen des östlichen und westlichen Balkans, ihre Geschichte(n), ihre vielgestaltigen Lebenswelten. Mehr zu Piry Krakow in der Fachzeitschrift Neue Kreise Ziehen mit einem Klick hier
Gefühlslandschaften
Romatänze als Ausdruck von Schmerz und Trauer, Romatänze als Ausdruck unbändiger Lebensfreude – und: einer Lebensweise, die uns in unserer durchgetakteten Welt abhandengekommen ist. In ihren Seminaren gelingt es Piry mit ihrer ganzheitlichen Herangehensweise, die Sinne zu öffnen für beides.
Freud und Leid
Da ist dieses unvorstellbare Leid, das Ausdruck findet in der Musik und im Tanz, zutiefst berührend, das ist das Eine. Das Andere ist die Freude an den großen Festen, zu denen Viele - wenn irgend möglich - von weit her anreisen, um endlich wieder zusammen zu kommen und zu feiern. Sie feiern das Wiedersehen, die Begegnung, das Leben.
Es ist das ganze Spektrum menschlicher Gefühle, das sich abbildet in den Tänzen der Roma und ihrer Musik.
Lockruf des Frühlings am 2. und 3. April 2022
Wir werden nicht wieder drei Jahre warten bis zum nächsten Tanzwochenende mit Piry:
Am 2. und 3. April 2022 wollen wir hier im Tanzdialog Wörthsee den Lockruf des Frühlings betanzen, wie immer im Albrecht-Deyhle-Haus. Mehr lesen und buchen mit einem Klick hier.
Impressionen vom Wochenend-Seminar „Dunkle Glut der Romatänze“ am 23. und 24. Oktober 2021 im Tanzdialog Wörthsee